Unternehmensinsolvenzen in Deutschland von 2017 bis 2022. Die Insolvenzen sind von 2021 an stark gestiegen.
Unternehmensinsolvenzen in Deutschland (Quelle: Creditreform)

Aktuell 12. January 2023 Trendwende bei Unternehmensinsolvenzen 

Die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen in Deutschland nimmt zu. Es hat laut aktuellen Expertenaussagen eine Trendwende eingesetzt.  Patrik Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, erläutert, die anhaltende Inflation, die steigenden Zinsen und Energiekosten sowie eine zunehmend verschärfte Wettbewerbssituation gehen bei vielen Unternehmen an die Substanz.

Die hohen Energiekosten ließen die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland erstmals seit der Weltfinanzkrise 2009 wieder steigen. Der Anstieg war mit vier Prozent gegenüber dem Vorjahr noch moderat, dürfte aber erst der Auftakt für eine weitere Beschleunigung des Insolvenzgeschehens sein. Die Vielzahl von sich überlagernden Krisen führte im Jahresverlauf bundesweit zu insgesamt 14.700 Unternehmensinsolvenzen. Das Insolvenzaufkommen blieb trotz des Anstiegs aber auf niedrigem Niveau.

Die Trendwende im Insolvenzgeschehen spiegelt sich in den meisten Hauptwirtschaftsbereichen. Deutlich erhöht haben sich die Fallzahlen in Prozent im Baugewerbe (plus 17,3 Prozent) und im Verarbeitenden Gewerbe (plus 15,2 Prozent). Bundesweit waren im verarbeitenden Gewerbe 1.060 Insolvenzen zu verzeichnen, im Baugewerbe waren es 2.440. Das Gros des Insolvenzgeschehens in Deutschland entfällt weiterhin auf den Dienstleistungssektor (8.450 Insolvenzen). Gegenüber dem Vorjahr war ein leichtes Plus zu registrieren (plus 2,9 Prozent). Rückläufig waren die Insolvenzzahlen allein im Handel (minus 5,8 Prozent).

Junge Unternehmen (bis zehn Jahre alt) waren in der Insolvenzstatistik häufiger vertreten als im Vorjahr. 56,9 Prozent der insolventen Unternehmen waren jünger als zehn Jahre (2021: 49,7 Prozent). Auf die Altersklasse der über 20 Jahre alten Unternehmen entfielen dagegen nur noch 17,1 Prozent aller Insolvenzfälle.

Bei den sonstigen Insolvenzen, wo sich auch viele kleine Selbstständige wiederfinden, war ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen (minus 11,9 Prozent auf 24.800 Fälle), sodass 2022 insgesamt 104.800 Insolvenzfälle registriert wurden.

Zinsen steigen, Erträge schwinden: Ausfälle zeichnen sich ab

Zinsdeckungsgrad der Unternehmen in Deutschland, ein vergleich von 2014 bis 2016 und 2019 bis 2021.
Zinsdeckungsgrad der Unternehmen in Deutschland. (Quelle: Creditreform)

Infolge der restriktiveren Geldpolitik der europäischen Zentralbank (EZB) müssen fremdfinanzierte Unternehmen mit einem steigenden Zinsaufwand bei der Unternehmensfinanzierung rechnen („Zinswende“). Zusätzlich dürften die Erträge aufgrund multipler Krisen (Energiepreiskrise, Rezession) erodieren. Die Möglichkeit, auch weiterhin die Fremdkapitalzinsen zu stemmen und damit den Schuldendienst zu tragen, dürfte schwinden. „Damit ist ein hohes Potenzial für Zahlungsausfälle erwachsen, das sich in den kommenden Jahren in der Insolvenzstatistik niederschlagen könnte“, erläutert Hantzsch.

Eine Auswertung der Jahresabschlüsse von rund 6.000 Unternehmen in der Creditreform Wirtschaftsdatenbank ergab: Im Zeitraum 2019 bis 2021 wies ein Fünftel (19,3 Prozent) der fremdfinanzierten Unternehmen in Deutschland keine ausreichende Schuldentragfähigkeit auf. Das heißt, zur Finanzierung der Kreditzinsen reicht der operative Gewinn bei weitem nicht aus. Im Vergleich zur Vorperiode (2014 bis 2016) zeigt sich ein Anstieg der betroffenen Unternehmen (plus 3,9 Prozentpunkte). Die Corona-Krise dürfte mit Ertragseinbußen zu einer verminderten Schuldentragfähigkeit vieler Unternehmen beigetragen haben.

zuletzt editiert am 10.01.2023