Wie können Betriebe mit jungen Leuten heute gut zusammenarbeiten? Was hat sich verändert, und wie können Betriebe an den Herausforderungen wachsen? Darüber haben wir mit Speaker und Handwerksunternehmer Cehan San gesprochen.
Die Gen Z ist faul und desinteressiert, nimmt die Arbeit nicht ernst und hat hohe Ansprüche – stimmt das?
Das ist immer sehr verallgemeinert gesagt. Wir haben immer noch verschiedene Charaktere, denen wir begegnen, und mit Sicherheit gibt es den einen, der energisch ist und Lust hat und wissbegierig ist, und dann gibt es auch andere. Im Allgemeinen denke ich, das ist ein Vorurteil, das wir aus unseren Köpfen verbannen sollten. Denn letztlich sind wir auch in der Pflicht, den jungen Menschen aufzuzeigen, was es überhaupt bedeutet, einen Beruf zu lernen, was es überhaupt bedeutet, dann nachher als Geselle dieser Tätigkeit nachzugehen, wie viel Wert dahintersteckt. Wenn ich das am Anfang verpasse, dann kann ich davon ausgehen, dass dieser Jugendliche auch nicht den Ehrgeiz entwickelt oder mit dem nötigen Elan an die Sache herangeht. Ich glaube, da bin ich als Ausbilder in der Pflicht, in erster Linie zu informieren und bestmöglich zu unterstützen.
„Was da in den Köpfen von den jungen Menschen abgeht und was die im Endeffekt beschäftigt, das ist die größte Herausforderung und darauf wollen sich viele nicht einlassen.“
Cehan San
Was ist denn zukünftigen Auszubildenden heute im Vergleich zu vor zehn oder 15 Jahren wichtig?
Damals hat man das genommen, was man bekommen hat. Heute hat man deutlich mehr Optionen, man kann gerade über Social Media so viel über verschiedene Berufe erfahren, auch den Alltag in den jeweiligen Berufen sehen. Was aber das Ganze noch schwieriger gestaltet, ist tatsächlich, dass Social Media einem zeigt, wie leicht es doch sein kann, Geld zu verdienen.
Geht das einher mit einer gewissen Vorstellung, dass man nichts tun muss? Habe ich als Betriebsinhaber heute eher die Herausforderung zu vermitteln: Von nichts kommt nichts?
Das ist etwas, womit man direkt in den ersten Gesprächen mal vorbeugend aufräumen sollte. Es wird online alles so einfach dargestellt. Wenn einer dann in die Ausbildung geht und auf einmal feststellt, dass er doch kräftiger anpacken muss oder um 06:00 Uhr den Tag beginnen soll – das vermittelt Social Media nicht. Da gilt es als Unternehmer eben aufzuklären, im Vorfeld zu zeigen: Leute, wir sind ein Handwerksberuf, wir müssen schon am Ende des Tages zeigen, was wir geschafft haben, und dazu gehört es auch, sich die Hände dreckig zu machen. Gleichzeitig wollen wir auch die Leichtigkeit vermitteln und zeigen, dass es durch die ganzen Hilfsmittel und Werkzeuge heute längst nicht mehr so schwer im Handwerk ist, wie es früher war.
Viele Betriebsinhaber sehen die Zusammenarbeit mit den jungen Leuten ja eher negativ. Warum ist das so?
Ich denke, sie verstehen nicht ganz, wie grundüberfordert viele heute sind. Sie werden von so vielen Informationen überflutet, hängen dauernd am Handy, müssen sich viel merken, gehen mit Dopamin ins Bett und stehen so auch wieder auf. Was da in den Köpfen von den jungen Menschen abgeht und was die im Endeffekt beschäftigt, das ist die größte Herausforderung und darauf wollen sich viele nicht einlassen. Die sind der Meinung, die müssen so sein wie sie. Aber erst einmal aufzuklären, einzuladen und eine Vision zu teilen, das wären die drei Dinge, die man machen muss, um den jungen Menschen überhaupt eine gewisse Begeisterung dafür abzuverlangen – dann kann man auch Aufbauarbeit leisten. Wenn ein Auszubildender kommt, der mit dem Kopf durch die Wand will, weil er einfach die Vision hat, etwas erreichen zu wollen, dann sollte man den nicht bremsen, sondern ihm eher Möglichkeiten und Wege bieten, wie er sie umsetzen kann.
Den Betrieb entwickeln: Workshops, die voranbringen
Selbst- und Teamentwicklung sind für den Erfolg eines Betrieb sehr wichtig, findet Cehan San – und machen ihn attraktiv für junge Bewerber. Dass auch die Auszubildenden immer dabei sind, ist für ihn selbstverständlich. Diese Themen empfiehlt er:
- Strukturen und Prozesse implementieren
- Wertefindung für Betrieb und Team
- Kundenkommunikation
- KI: Wie können wir sie sinnvoll nutzen?
- Persönlichkeitsstrukturen im Team
- Allgemeine, regelmäßige Teammeetings
Wie gehen Sie im Betriebsalltag ganz praktisch mit den anderen Gewohnheiten junger Menschen um?
Ich habe mich zum Beispiel gefragt: Was können wir Sinnvolles damit machen, dass die so viel am Handy sind? Wir haben dann einen zweitägigen KI-Workshop gemacht und ihnen gezeigt, wie einfach sie ChatGPT sinnvoll nutzen können. Und viele Kollegen scrollen jetzt nicht mehr sinnlos, sondern nutzen die KI, um ihr Wissen aufzufrischen oder eine Frage beantwortet zu bekommen. Wir haben allen Kollegen ein iPad zur Verfügung gestellt und gesagt: Bevor ihr auf YouTube nach Tutorials sucht, versucht euch das mal mit der KI Schritt für Schritt selbst anzueignen. Und das funktioniert sehr gut. Wir haben sogar ein KI-Fehleranalysetool für Heizungsanlagen gebaut und alle programmieren daran mit.
Also ist es erfolgreicher, aus den Eigenheiten, die jede Generation mit sich bringt, etwas Positives herauszuziehen, als sich dagegen zu sperren.
Ja – und Verständnis haben. Verständnis ist, glaube ich, das Größte, was man einem jungen Menschen entgegenbringen kann. Ich hatte einen Auszubildenen, der privat Probleme hatte. Ich hatte ihn darauf angesprochen, ihm Hilfe angeboten. Denn man sieht sich auch schon ein bisschen als Erziehungsberechtigter, als Vormund, dem Jugendlichen ein bisschen die helfende Hand zu geben, eine Vision mitzugeben, Konsequenzen von Entscheidungen zu zeigen, zu motivieren. Das ist enorm wichtig.
Dazu gehört ein gutes Maß an Kommunikationsfähigkeit ...
Wir haben im Team mal ein Persönlichkeitstraining gemacht, in dem es auch darum ging, wie gute Gespräche aussehen sollten: 80 Prozent zuhören, 17 Prozent Fragen stellen und nur 3 Prozent selber reden. Das nehmen sich seitdem viele von uns zu Herzen. Ich finde es auch wichtig, dass die Auszubildenden mich nicht siezen müssen und ich sie natürlich auch nicht. Wenn heute ein Auszubildender kommt, mit dem man das Siezen anfängt – da gehen so viele schon direkt an die Decke. Siezen schafft keine Nähe, das schafft Abstand. Wie soll sich denn da ein Auszubildender wohlfühlen? Und vor allen Dingen: Wenn ich auf Social Media zeigen will, was ich kann und was ich mache und dann anfange, meine Auszubildenden zu siezen – was macht das mit meinem Gegenüber? Wer das sieht, sagt: Warum siezen die sich denn da? Das will ich ja gar nicht.
Welche Tipps Cehan San für Betriebe hat, um auf Social Media Auszubildende zu finden, lesen Sie in Ausgabe 8 von F+P Fliesen und Platten .
